Die denkmalgeschützte Saalkirche steht auf einem Sporn des Kahlen Berges oberhalb des alten Jakobsweges, der hier als Handels- und Pilgerweg über einen Pass des Teutoburger Waldes führte. Unter Gräfin Anna von Tecklenburg wurde in der Renaissance der Chor (1562) errichtet und das Schiff (1566) angefügt. Die Formensprache ist teilweise (z. B. beim Maßwerk) noch gotisch.
1527 hatte Annas Vater Graf Konrad die Reformation in seiner Grafschaft durchgesetzt, so dass die Kirche bereits als evangelisch-lutherische Kirche erbaut wurde. 1587 nahmen der gräfliche Hof und damit auch die ganze Grafschaft das reformierte Bekenntnis an, dem die Kirchengemeinde noch heute angehört
Bereits 1320 wird in Tecklenburg urkundlich eine Kirche St. Georg genannt, die Ausgrabungen zufolge wohl etwa an der Stelle der heutigen Kirche lag. Während der militärischen Auseinandersetzungen in der Reformationszeit (1. Hälfte 16. Jahrh.) wurde die Georgskirche vermutlich zusammen mit der Altstadtbebauung abgetragen, um vor der Burg ein freies Kanonenschussfeld zu schaffen. Ausstattungsstücke wie Bilder und Altäre stellte man wieder im Kirchenneubau auf, entfernte sie jedoch 1587 endgültig.
1642 ließ Graf Mauritz von Tecklenburg einen freistehenden hölzernen Glockenturm auf dem Kirchhof erbauen und stiftete zwei Glocken. Nach dem Verkauf der Grafschaft an Preußen 1707 wurde 1710 - ca. 1720 der ehemalige Dachreiter durch den heutigen steinernen Turm ersetzt, bekrönt von einer geschweiften Haube mit offener Laterne. Der Turm wurde zur Hälfte in das Schiff hineingesetzt, so dass die Westempore, adligen Gottesdienstbesuchern vorbehalten, weichen musste.
1738/39 ersetzte man die frühere flache Holzdecke des Schiffes durch ein hölzernes Tonnengewölbe, mittig gestützt durch eine einzige Eichenholzsäule und in der Höhe angepasst an das Turmgewölbe. Auch eine neue Westempore entstand. Wie am außen umlaufenden Gesims erkennbar ist, wurden nachträglich einige Fenster verlängert (1820). 1883/84 wurden Gestühl und Empore ersetzt. Bei Renovierungen in den 1950er und 1970er Jahren erhielten die Holzteile der Einrichtung ihre graublaue Fassung und einige der zahlreichen Grabsteine wurden vom Kirchenboden an die Wände verbracht.
1990 entstand ein Anbau auf der Nordseite, der unter anderem Sakristei und Küche enthält.
Beachtenswert sind auch die Fachwerkhäuser an der Kirche. Sie sind an die Stützmauer des Kirchhügels angebaut.
Eine Gedenktafel erinnert an den Arzt Dr. Johann Weyer (†1588), Vertrauter des Tecklenburger Grafenhauses, der gegen den Aberglauben seiner Zeit auftrat. Ihm ist es zu verdanken, dass in der Grafschaft keine Hexenverbrennungen stattfanden.
Die Kanzel (1740) ist in einer reformierten Kirche als Ort der Wortverkündigung eines der wichtigsten Ausstattungsstücke. Daneben hängt in einer Nische mit der Inschrift „Soli deo gloria et honor“ („Gott allein sei Ruhm und Ehre“) ein Holzkreuz, 1973 aus alten Eichenbalken des Dachstuhls angefertigt.
Im Schlussstein des Gewölbes ist das Datum der Fertigstellung des Chores, 1562, überliefert. Im Chor legten die Pastoren ab 1585 (bis 1820) zur Förderung der allgemeinen Bildung eine Bibliothek an. Die Fensterverglasung stammt von 1888, der Abendmahlstisch von 1955. Unter dem Chor liegt die verschüttete Gruft der Tecklenburger Grafen; auch im Kirchenschiff fanden Bestattungen von Würdenträgern statt. Wie von außen zu sehen ist, besteht die Ostwand über dem Chor aus Fachwerk.
Die Kronleuchter stifteten 1692 Pfarrer Bernhardus Schram und seine Ehefrau.Der klassizistische Taufstein in Pokalform stammt von 1843 und wird bis heute verwendet.
Von der Tumba (Hochgrab) des Grafen Konrad von Tecklenburg (†1557) ist noch die Deckplatte mit lebensgroßer Figur in zeitgenössischer Rüstung erhalten. Der „tolle Cord“ war verheiratet mit Mechthild (†1558), Cousine des Landgrafen Philipp von Hessen, einem Vorkämpfer der Reformation. Durch diese Verwandtschaft wurde auch in der Grafschaft Tecklenburg früh die Reformation eingeführt. Von Mechthild ist das Steinepitaph erhalten.
Ein Inschriftfenster (1719) im Turmraum erinnert an einen Förster, der Holz für den Turmbau lieferte und dafür einen Kirchensitzplatz erhielt. Ein 1927/28 geschaffenes Fenster zeigt die Namen der Tecklenburger Pfarrer seit 1484.
Die Südtür im Schiff war Brautpaaren vorbehalten. Das Fenster (1928) darüber thematisiert das christliche Eheverständnis. Über der Tür wurden das gräfliche Wappen und die Gründungsinschrift von 1566 angebracht, die Gott und die Kirchenstifter preist: „Lof un er sy godt in den hogesten tron un all de hir to geven han, anno 1566“. („Lob und Ehre sei Gott und allen, die hierfür gestiftet haben“).
Grabsteine des 16. bis 18. Jahrhunderts erinnern an weitere Tecklenburger Familienmitglieder und Bedienstete. Zwei Bruchstücke im Turmraum stammen aus dem Mittelalter. Von Angehörigen des Tecklenburger Grafenhauses sowie dem ersten preußischen Kriegs- und Domänenrat der Grafschaft Mauritz Balcke sind vier hölzerne Totenschilde erhalten geblieben.
Schon 1652 befand sich in einer Chornische eine Orgel. Sie wurde 1820 in den Turm versetzt, 1891 durch Blitzeinschlag zerstört und wieder ersetzt. 1963 wurde die heutige Schleifladenorgel von Alfred Führer eingeweiht.
Die Kirche besitzt einen vermutlich aus dem 17. Jahrhundert stammenden und durch einen Eisenbeschlag fest mit der Kirchenwand verbundenen Opferstock. Er wird bis heute genutzt.
Über schmale Treppen ist zu besonderen Gelegenheiten das Uhrwerk von 1926 zu erreichen, das zwei Mal wöchentlich von Hand aufgezogen wird (zusammen 680 Kurbelumdrehungen). Durch das Uhrwerk werden auch die Glocken für den Stundenschlag und Viertelschlag mit einem Hammer angeschlagen.
Nördlich der Kirche sind auf dem alten Kirchhof historische Grabsteine zu sehen. Der Friedhof wird heute noch für Urnenbestattungen genutzt.
Fotonachweis
G. Böhm: Titel, 1, 2, 4-12, 15
Frank Bosse: 13, 14
Lisa Volkamer: 3
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